Skip to content Skip to left sidebar Skip to footer

Schneiders Zeitblick

Ich stelle mir gerade vor, was der brave Soldat Schwejk wohl zu den gerade ausgebrochenen Kriegsvorbereitungen sagen würde. Er würde sich verwundert eine Pfeife anzünden und denken: Mein  Herr Oberleitnand hat immer gesagt, ihr Hornochsen, Enthusiasmus kann in solchen Zeiten behördlich befohlen werden! Das wird etwas Wunderbares sein, wenn wir für seine Majestät, den Kaiser, fallen werden. Na ja, der Kaiser, auf den die Fliegen geschissen haben, ist Geschichte. Aber ob es auch noch so wunderbar ist, wenn unsere jungen Menschen für den verehrten Herrn Bundespräsidenten ins Gras beißen müssen, wage ich doch zu bezweifeln. Damals haben sie den Erzherzog Johann erschossen, um einen Grund für Krieg zu haben. Heute genügt es schon, wenn sich die Nachbarn die Köpfe einschlagen, um mit ins Feld zu ziehen. Deshalb gilt damals wie heute, ein Soldat darf nicht selbst denken. Für ihn denken seine Vorgesetzten. Der Erste Weltkrieg wird in einigen Dokumentationen der „Kleine“ genannt. Aber für die, die ihn nicht überlebt haben, war er groß genug!

Wenn jetzt einer denkt, er sei krank und könne nicht in den Krieg ziehen, dann sei an Josef Schwejk erinnert. Der hatte Rheuma und musste sich vom Stabsarzt belehren lassen: Das ganz Volk ist eine Simulantenbande! Da hilft nur Magenauspumpen und ein kräftiges Klistier, damit sich das Rheuma erschrickt und flieht. Deshalb stellte er lakonisch fest: Ich bin bis auf die Füße ein ganz gesundes Kanonenfutter! Im Physikzimmer meiner Schule hatten kluge Leute den Spruch Albert Einsteins über der Tafel angebracht: „Der Zweite Weltkrieg hat 20 Millionen Tote gekostet. Wenn es zum Dritten kommen sollte, wird der Vierte mit dem Steinbeil ausgetragen!“ Doch solche Weisheiten sind heute nicht gefragt. Da ist es einfacher, die Menschen mit bunten Fahnen und einer diversen Lebensweise abzulenken.

Karikatur von Ulrich Forchner, Juli 2025

Apropos bunte Fahnen. Im Film treffen Schwejk und ein russischer Soldat aufeinander und stellen fest, dass eigentlich nur die Uniformen verfeindet sind. Die Menschen, die darin stecken, sind es nicht. Da stelle ich mir vor, wenn einer unserer vielfältig-bunten Soldaten auf die Russen trifft und anbietet, erst mal einen Prosecco zu trinken. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass es nur kurz „bumm“ macht, und der freundliche Gastgeber gehört der Vergangenheit an.

Schwejk sagte damals, ich bin froh, dass wir pünktlich in den Krieg fahren. Sonst könnten wir womöglich noch zu spät kommen, aber wenn wir fest zusammenhalten, dann ist der ganze Krieg nur wie ein Spaziergang über den Wenzelsplatz in Prag. Dann ruft er noch seinem Freund zu, wir treff en uns nach dem Krieg um sechs im Kelch – oder besser doch ein halber sieben, der Krieg könnt’ etwas länger dauern.

Nach Kriegsende triff t man sich tatsächlich im Kelch und Schwejk fragt so beiläufig, ob man schon weiß, wer gewonnen hat. Aber sein Freund meint, er habe nur verloren, nämlich sein rechtes Bein. Krieg ist nur etwas für reiche Leute, brummt Schwejk. Man hat kräftig verdient und es ist auch gelungen, die eigene Familie aus dem Kampfgetümmel herauszuhalten. Alle anderen haben verloren. Den Krieg werd’ ich wochenlang nicht vergessen, sinniert er nachdenklich.

Dass auch Sie, liebe Leser, den letzten Krieg noch nicht vergessen haben, hofft herzlichst

Ihr Jürgen Schneider
(schneiders-zeitblick@web.de)

Der Text ist Satire im Sinne des deutschen Presserechts unter Verwendung von Passagen aus: „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ von Jaroslav Hasek.

0 Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare

Kommentar verfassen